Neues anwendungsorientiertes Forschungsprojekt: „Wendezeit“

Forschung - Hochschule - Fakultäten

Unter der Leitung von Prof. Dr. Kurt Möller von der Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege der Hochschule Esslingen ist das neue Projekt „Wendezeit“ gestartet. In Kooperation mit dem Beratungsprojekt „Wegweiser“ des Innenministeriums von Nordrhein-Westfalen geht es der dreifachen Frage nach, wie und warum junge Männer und Frauen in sogenannte islamistische Denkweisen und Gruppierungen einsteigen, wie(so) sie wieder Abstand davon gewinnen und wie nachhaltig solche Distanznahmen sind. Das anwendungsorientierte Forschungsprojekt wird für drei Jahre vom Bundesjugendministerium im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ mit rund 450.000  Euro gefördert.

Warum wenden sich junge Menschen gesellschaftlich stark umstrittenen Auslegungen und Gruppierungen des Islam zu? Und möglicherweise noch spannender: Warum wenden sich manche von diesen auch wieder ab – und das womöglich auf Dauer? „Von Seiten der Wissenschaft existieren auf diese Fragen bislang keine befriedigenden Antworten“, sagt Projektleiter Prof. Möller. „Insbesondere über Abwendungsprozesse von Jugendlichen, die gerade erst in diesen Bereich hineingeschnuppert oder erste Schritte unternommen haben, ist wenig bekannt.“

Dieser Umstand ist bedauerlich, denn gerade in der frühen Phase der Radikalisierung sind die Überzeugungen und Haltungen noch nicht gefestigt, so der Professor. Das erleichtert es pädagogisch Tätigen, etwa Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern, diese Jugendlichen zu erreichen und sie auf ihrer religiösen Sinnsuche zu begleiten. Sofern sie mit erfolgversprechenden Kenntnissen, Arbeitsstrukturen und Fähigkeiten ausgestattet sind, können sie auch Distanzierungsprozesse in Gang bringen.

Zahlreiche Interviews sollen Ergebnisse bringen

Innerhalb der Projektlaufzeit sind mehrere Untersuchungen angesetzt. Dazu gehören etwa 40 bis 50 im Abstand von zwölf bis 15 Monaten wiederholte leitfadengestützte Interviews mit Distanzierungspersonen, die sich jeweils in verschiedenen Phasen der Radikalisierung befinden oder befunden haben. Zusätzlich werden Gespräche mit Personen aus dem Umfeld, wie Eltern, Lehrkräften und professionellen Betreuerinnen und Betreuern, geführt. Mit den Untersuchungen sollen die Merkmale der Distanzierungsprozesse herausgearbeitet werden. Zudem geht die Projektgruppe der Frage nach, welchen Einfluss das soziale Umfeld dabei hat.

Im Rahmen der Untersuchungen finden begleitend Praxis-Workshops statt, bei denen sich die Beteiligten des Projekts über Vorgehensweisen und Forschungsergebnisse austauschen. Geplant sind dafür zwei Praxis-Wissenschafts-Workshops pro Jahr. Publikationen und regionale Transferveranstaltungen, zu der auch projektexterne Interessierte eingeladen sind, sowie ein abschließender bundesweiter Kongress, der im Herbst 2021 stattfinden soll, sorgen für die Verbreitung der gewonnenen Erkenntnisse.

Wie das Projekt die Praxis unterstützt

Einen besonderen Stellenwert bei dem Projekt nimmt die enge Zusammenarbeit zwischen Praxis und Wissenschaft ein. Vom Projekt „Wendezeit“ profitiert also nicht nur die Wissenschaftssphäre bzw. die Esslinger Hochschule, indem sie ihr Wissen im Bereich der Radikalisierung erweitern kann, sondern auch die Praxis der Arbeit mit gefährdeten jungen Menschen. Und: Mit Hilfe der Untersuchungsergebnisse, die das Projekt der Hochschule Esslingen erzielt, können geeignete  Vorsorgemaßnahmen entwickelt werden, damit sich junge Menschen erst gar nicht radikalisieren.

Derzeit werden erste Interviews geführt. Die Projektgruppe möchte  aber noch weitere Probandinnen und Probanden gewinnen. Interessierte, die ihre Erfahrungen gerne teilen möchten, sind herzlich eingeladen, sich zu melden:

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