Kreislaufwirtschaft: Möglichkeiten und Grenzen

Hochschule - Studium - Angewandte Naturwissenschaften, Energie- und Gebäudetechnik

Als anspruchsvolle Konsumenten wollen wir natürlich immer nur das Beste und Neueste. Aber was wurde eigentlich aus den vielen Dingen, die wir nach Gebrauch ausgemustert haben? Wir könnten zum Beispiel fragen:

Was wurde aus meinem zwei Jahre alten Mobiltelefon, das von uns durch ein Neues ausgetauscht wurde? Was wurde aus den Speisen, die in meinem Lieblingsrestaurant für mehr Gäste gekocht wurden, als dann tatsächlich kamen? Was wurde aus den Lebensmittelverpackungen, die ich heute achtlos beiseitegeschoben habe? Was wurde aus dem schicken Kostüm, das per Post zu mir nach Hause gekommen ist, das ich anprobiert habe, das aber nicht richtig passte und deshalb von mir wieder zurückgeschickt wurde? Was wurde aus der Zeitung von gestern, die ich – kaum gelesen – einfach wieder weggelegt habe? Was wurde aus meinem Fernseher, der bereits nach vier Jahren nicht mehr richtig funktionierte?

Vortrag Kreislaufwirtschaft im Wärmesektor

Alle diese Beispiele zeigen, dass wir uns nicht nur um neue Produkte kümmern sollten, sondern auch um die Erzeugnisse, die ausgedient haben und die wir nicht mehr brauchen können. Was kann eigentlich davon wieder verwertet werden?  Genau um solche Fragen ging es im Vortrag „Kreislaufwirtschaft im Wärmesektor: Strategie für eine ökologisch nachhaltigere Zukunft?“ von Dipl.-Ing. Torsten Hummen von der Bosch Thermotechnik GmbH, der am 16. Juni 2021 beim Kolloquium der Fakultät „Angewandte Naturwissenschaften, Energie- und Gebäudetechnik“ zu Gast war.

Möglichkeiten und Grenzen der Wiederverwertung

Bei der mit über 100 Zuhörern sehr gut besuchten Veranstaltung, zu der Prof. Dr.-Ing. Werner Braun eingeladen hatte, zeigte der Referent die Möglichkeiten und Grenzen der Wiederverwertung auf. Angesichts des verständlichen Strebens von immer mehr Menschen nach wachsendem Wohlstand und materiellen Gütern könnte bei wichtigen Ressourcen eine nur noch begrenzte Verfügbarkeit längerfristig zum Problem werden. Deshalb wird der Gedanke der Kreislaufwirtschaft nicht nur für viele Bürger, sondern auch für viele Industrieunternehmen immer wichtiger – um Rohstoffe zu schonen und die Umwelt zu entlasten. Bisher konzentriert sich die Kreislaufwirtschaft beispielsweise auf die Wiederverwertung von bestimmten Metallen, von Glas und von Papier.

Lebensdauer von Produkten

Prinzipien der Kreislaufwirtschaft bauen darüber hinaus stark auf der sogenannten „Abfallhierarchie“ auf, nämlich das im Sinne des Trägheitsprinzips die Produktintegrität möglichst lange mit Hilfe von lebensdauerverlängernden Maßnahmen wie dem „Re-manufacturing“ erhalten bleibt. Erst wenn dies nicht möglich ist, sollte ein Materialrecycling erfolgen. Insbesondere bei energienutzenden Produkten wie Waschmaschinen oder Heizungsanlagen stellt sich jedoch die Frage, ob ein größerer Umweltnutzen durch die Verlängerung der Lebensdauer des Produkts oder im Gegenteil durch den frühzeitigen Austausch des Produkts gegen ein neues, energieeffizienteres Modell erreicht wird, bevor es kaputt ist.  Dies ist im Widerspruch zu der gängigen Hypothese, dass "Dauerhaftigkeit per se umweltfreundlich ist" und erfordert eine umfassende Bewertung.

Gibt es also einen optimalen Zeitpunkt, bei dem ein Produkt ausgetauscht werden sollte? Der Vortragende stellte hierzu ein Konzept vor, das sich auf die Betrachtung von Lebenszyklen abstützt. Dabei werden die verschiedenartigen Auswirkungen bilanziert, um eine optimale „Lebenszeit“ des Produkts zu bestimmen, wobei auch zirkulare Strategien wie das Re-manufacturing berücksichtigt werden.

Fallstudie am Beispiel der Gebäudeheizung

Dieses Konzept verdeutlichte Dipl.-Ing. Hummen anhand einer Fallstudie für die Gebäudebeheizung: Ist ein Weiterbetrieb des vorhandenen Gasheizgeräts unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz noch sinnvoll? Kann das Gerät einer elektronischen Diagnose unterzogen werden, und lassen sich Funktionsstörungen und Fehler beim Betrieb dabei auf einfache Weise auslesen und beheben? Ist eine möglichst einfache und wirksame Gerätewartung möglich?

Wenn das Gerät dann irgendwann ersetzt werden muss, stellt sich die Aufgabe, das Gerät möglichst effektiv zu recyceln. Hinsichtlich einer stofflichen Wiederverwertung spielt dabei die Sortenreinheit eine entscheidende Rolle. Problematisch dabei ist, dass Produkte – so auch Heizungen – aus immer mehr verschiedenen Materialien mit komplexeren, hochwertigeren Metalllegierungen bestehen. Zum Beispiel  können Verunreinigungen, die unweigerlich bei Recycling auftreten, zu wesentlichen Qualitätseinbußen führen und somit das Recyclingpotential erheblich einschränken. Um das Recyclingpotential von Produkten also zu erhöhen sind zum einen ein recyclingorientiertes Produktdesign und zum anderen ein verbessertes Recyclingsystem von Nöten, was eine ganzheitliche Betrachtung erfordert.

Fazit des Referenten

Der Referent zog am Ende seines Vortrags eine gemischte Bilanz: Einer sorgfältig durchdachten Kreislaufwirtschaft eröffnen sich interessante Möglichkeiten, doch müssen positive Effekte beispielsweise durch den optimierten Austausch von Geräten manchen zusätzlichen negativen Folgen beim Recycling gegenübergestellt werden. Dies erfordert einen gewissen Pragmatismus, um die technischen und wirtschaftlichen Grenzen in Rechnung zu stellen.

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