"Brisante Gemengelage"

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Prof. Dr. Claudia Barth forscht seit den 90er Jahren zu esoterischen Strömungen. Zudem beschäftigt sich die Wissenschaftlerin mit neuen religiösen Bewegungen und sozialpsychologischen Themen und lehrt an der Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege der Hochschule. Die Professorin hat sich auf verschiedenen Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen in Süddeutschland umgesehen und hat Interviews mit Demonstrantinnen und Demonstranten geführt.

Esoteriker und Hippies demonstrieren gemeinsam mit Neonazis und Reichsbürgern gegen die Corona-Maßnahmen. So war es in den vergangenen Wochen verschiedentlich zu beobachten. Verwundert Sie das?

Professorin Dr. Claudia Barth: Nein, keineswegs. In der Esoterik ist Rassismus stark ausgeprägt, weil daran geglaubt wird, dass „menschliche Wurzelrassen“, wie es in der Szene heißt, einen vorgesehenen Platz in der Weltgeschichte hätten, sie einem höheren Plan folgend auf- und absteigen. Die „arische Rasse“ hat dabei einen besonderen Stellenwert als zeitweilig vorrangig vor anderen. Auch Verschwörungstheorien, die in der esoterischen Szene verbreitet sind, treffen bei diesen Demonstrationen auf Gleichgesinnte und bilden eine neue, brisante Gemengelage.

Also stört es Esoteriker nicht, mit Neonazis gemeinsam auf der Demo zu laufen?

Prof. Barth: Menschen finden den Zugang zu esoterischen Themen nicht über diese rassistischen Untertöne, sondern meist über so genannte alternative gesundheitliche Themen. Allerdings saugen sie dann vielfach auch völkische Theorien in der Szene auf. In der esoterischen Tradition, wie sie sich in Deutschland seit mehr als 100 Jahren entwickelt hat, haben rassistisches, antisemitisches und völkisches Denken einen festen Platz. Zwar grenzt sich ein Teil der Szene von solchen Ideologien ab, aber viele, wie auf den Demonstrationen zu sehen, tragen diese Vorstellungen zumindest strukturell weiterhin.  

Ist diese Entwicklung besorgniserregend?

Prof. Barth:

Wie bei anderen rechtspopulistischen Dauerveranstaltungen der letzten Jahre, zum Beispiel Pegida, ist hier weniger die faktische Größe als mehr der Schulterschluss zwischen Teilen der Mitte mit dem rechten Rand ein Warnsignal. Mich interessiert aber vor allem, wie Menschen, die aus freien Stücken an den Kundgebungen teilnehmen, sich verorten. Wie ist ein Weltbild gestaltet, dass diese – für viele Außenstehende aufklärungsfeindlich daherkommenden Parolen – für eine authentische demokratische Regung hält? Diesen offenen Zugang bringe ich auch meinen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern gegenüber auf, um mehr von dem zu verstehen, wohin wir uns als Gesellschaft gerade entwickeln.

Vielen Dank für das Gespräch!

Über ihre Studien hat die Professorin kürzlich ein Interview gegeben, das bei Spiegel online erschienen ist.

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