Spektrum_HS_Esslingen - page 15

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spektrum 46/2018
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BLICKPUNKT
Vor gut zwei Jahren entfachte der Vorwurf der US-amerikani-
schen Umweltbehörde EPA, der Volkswagen-Konzern habe in
seinen Diesel-Modellen eine nicht angemeldete Softwarefunk-
tion eingesetzt und so gegen geltendes Recht verstoßen,
eine Diskussion, die sehr schnell – auch befeuert durch die
Versprechen neuer aufstrebender Automobil-Hersteller – die
Sachlichkeit verloren hat. Die Gründe hierfür erschließen sich
aus wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Sach-
verhalten und werden in diesem Bericht nicht weiter diskutiert.
Stattdessen beschränkt sich vorliegende Analyse auf die
rational-technischen Ursachen und Wirkungen und bietet eine
sachliche Basis für zukünftig geführte Diskussionen darüber
wie wir in (die) Zukunft fahren.
SOLLTE DER VERBRENNUNGSMOTOR VERBOTEN
WERDEN?
Zunächst sei der Fokus auf den Verbrennungsmotor gerichtet,
welchem zwei gänzlich unterschiedliche Dinge zur Last gelegt
werden, die zunächst einmal getrennt voneinander betrachtet
werden müssen.
Der erste Problemkreis dreht sich um die für den menschlichen
Organismus, wie auch für Tiere und Pflanzen schädlichen Emis-
sionen. Im Speziellen sind das vor allem Stickoxide und Parti-
kel, aber auch Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid. Diese
Emissionen wurden in der Vergangenheit durch Maßnahmen im
Brennverfahren und in der Abgasnachbehandlung immer weiter
reduziert. Vergleicht man ältere Fahrzeuge oder sogar Oldtimer
mit heutigen, aktuellen Modellen, so ist das auch deutlich wahr-
nehmbar – Rußwolken oder stechende Gerüche aus dem Auspuff
gehören weitestgehend der Vergangenheit an. Allerdings gibt es
durchaus noch Verbesserungspotenzial. So wurden die Maßnah-
men zur Abgasreinigung oft sehr stark auf den Prüfzyklus und
die Umgebung des Rollenprüfstands optimiert – legal bis illegal,
was im Zuge des VW-Skandals hinlänglich diskutiert wurde. Mit
der neuen Abgasgesetzgebung, die Messungen im realen Stra-
ßenbetrieb beinhaltet, wird diese Gesetzeslücke geschlossen.
Als ultimatives Ziel wird in Fachkreisen aber heute schon vor-
gegeben, dass ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor nur noch
Schadstoffkonzentrationen im Abgas aufweisen darf, die auf dem
Niveau der Belastung der angesaugten Luft liegen. Damit ist ein
WIE FAHREN WIR IN (DIE) ZUKUNFT? –
EINE RATIONALE ANALYSE ZUR MOBILITÄT
MICHAEL AUERBACH, GREGOR ROTTENKOLBER
Prof. Dr.-Ing. Gregor
Rottenkolber
ist
Prodekan und Studi-
endekan der Fakultät
Fahrzeugtechnik
und Leiter des La-
bors Verbrennungs-
motoren an der
Hochschule Esslin-
gen.
Prof. Dr.-Ing.
Michael Auerbach
lehrt an der Hoch-
schule Esslingen in
der Fakultät Fahr-
zeugtechnik. Seine
Fachgebiete sind
Hybrid- und Hoch-
leistungsantriebe.
Elektroantrieb in dieser Eigenschaft nicht mehr besser als der Ver-
brenner.
Das zweite Problemfeld betrifft die klimaschädlichen CO
2
-Emis-
sionen. Es kann als erwiesen betrachtet werden, dass die anthro-
pogene Emission von Kohlendioxid ursächlich für die Erwärmung
des Weltklimas verantwortlich ist. Angesichts der Tatsache, dass
der Pkw dazu weltweit nur 5% (Deutschland 14%) beiträgt, ist
die Frage, ob der Individualverkehr überhaupt in der Lage ist, das
Weltklima maßgeblich zu beeinflussen, sicher legitim. Trotzdem
kann eine signifikante Reduktion des Klimagases nur dann er-
reicht werden, wenn jedes Land und jeder Bereich seinen Beitrag
leistet. Die Forderung nach einem Verbot des Verbrennungsmo-
tors leitet sich daraus aber sicher nicht ab.
EINE ENERGETISCHE ANALYSE VOM RAD ZURÜCK ZUR
PRIMÄRQUELLE
Für die Vergleichbarkeit von verbrennungsmotorischen, elektri-
schen und elektrifizierten Antrieben auf der Fahrzeugebene wird
im Folgenden der Energiebedarf betrachtet.
Jeder Körper der bewegt wird – also auch ein
Fahrzeug, unabhängig von der Art des Antrie-
bes, benötigt für die Bewältigung einer Strecke
eine gewisse Energie. Diese hängt beim Fahr-
zeug vom Gewicht, dem Luftwiderstand, der
Reifenart und von den Begebenheiten wäh-
rend der Fahrt, wie Steigungen, Geschwindig-
keiten, Luft-Temperaturen, etc. ab. Vergleicht
man in einem gegebenen Manöver ein Fahr-
zeug mit verbrennungsmotorischem Antrieb
mit einem batterieelektrischen Fahrzeug bei
identischen Randbedingungen, treten deut-
liche Unterschiede im Antriebswirkungsgrad
(Energie am Rad bezogen auf Energie aus
dem Speicher) auf. Die mehrfache Energie-
wandlung im verbrennungsmotorischen An-
triebsstrang führt zu Gesamtwirkungsgraden von ungefähr 25%.
Das bedeutet, dass vier Mal mehr Energie an Bord des Fahrzeugs
sein muss, als es für die Erfüllung der Fahraufgabe benötigt. Hö-
her ist die Effizienz beim rein elektrischen Antrieb, hier liegt der
1...,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14 16,17,18,19,20,21,22,23,24,25,...84
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